Agrarlandschaft, Maisfeld

Bilder der Land(wirt)schaft –
Die mitteleuropäische Kulturlandschaft als Landschaftsideal?

Die landschaftliche Umwelt, in der ein Mensch aufwächst, ist prägend für sein ganzes Leben. Sie bestimmt nicht nur, was er als Heimat begreift, sondern auch, wie er ländlichen Raum im Vergleich zum städtischen Raum wahrnimmt. Obwohl die Landschaften Mitteleuropas keine „wilden“ Naturlandschaften mehr sind, sondern sich maßgeblich durch landwirtschaftliche Nutzung auszeichnen, werden sie von vielen Menschen als erhaltens- und schützenswert betrachtet.

Ralph Waldo Emerson

„Der Unterschied zwischen Landschaft und Landschaft ist klein; doch groß ist der Unterschied zwischen den Betrachtern.“

Ralph Waldo Emerson (1803–1882)

Foto: Southworth & Hawes, 1857 (Zeno.org).

Anzahl der Menschen, die ein Landwirt ernährt 1900 bis 2010

Anzahl der Menschen, die ein Landwirt ernährt 1900 bis 2010

Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland 1949-2010

Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland 1949 bis 2010

Ertragssteigerung bei Weizen, Roggen, Kartoffel, Zuckerrübe seit 1900

Ertragssteigerungen bei Kulturpflanzenarten seit 1900

Grafiken: i-bio

Unter einer Naturlandschaft versteht man eine Landschaft, deren Erscheinungsbild einem nicht oder kaum vom Menschen beeinflussten Zustand nahekommt. Weltweit gibt es nur noch wenige derartige Landschaften. Im Unterschied dazu bezeichnet Kulturlandschaft eine maßgeblich durch den Einfluss des Menschen veränderte Landschaft. Ein berühmtes Beispiel in Deutschland ist die Lüneburger Heide. Die mitteleuropäische Kulturlandschaft ist dabei in der Regel vor allem durch landwirtschaftliche Nutzung geprägt, die ein bestimmtes Maß an Intensität nicht überschritten hat, beispielsweise die von Hecken geprägte norddeutsche „Knicklandschaft“. Häufig sind solche Kulturräume struktur- und artenreicher als die hier natürlicherweise vorkommenden Wälder (meist Buchenwälder). Obwohl es sich bei diesen Regionen nicht um Naturlandschaften handelt, wird ihr landwirtschaftlich geprägtes Erscheinungsbild von vielen Menschen wertgeschätzt. Sie gelten als Erholungsraum sowie als identitätsstiftend. Bilder von monokulturellen, intensiv bewirtschafteten Agrarlandschaften werden hingegen oftmals negativ bewertet. Anders als in den USA mit ihrer starken Trennung von landwirtschaftlichen Nutzflächen und „wilder Natur“ (wilderness) in unzugänglichen Regionen oder in den großen Nationalparks herrscht in die Deutschland die Erwartung vor, auch genutzte Kulturlandschaften zur Erholung zu nutzen. Dies begründet die Forderung, dass die wirtschaftliche und die landschaftliche Nutzung von Flächen möglichst harmonisch nebeneinander und zusammen bestehen sollen. Kulturland wird hier als Naturland „empfunden“.

Bäuerliche versus intensivierte Landwirtschaft

Die idealtypische mitteleuropäische Kulturlandschaft ist nach heutiger Vorstellung durch eine kleinbäuerliche Landwirtschaft mit extensiver Landnutzung bestimmt (Bäuerliche Landwirtschaft). In einer solchen bäuerlichen Landwirtschaft bilden der landwirtschaftliche Betrieb und der Wohnort der Familie eine Einheit. Der Abfall aus Haus oder Hof wird als Gülle bzw. Dünger der Natur wieder zugeführt. So herrscht ein energetischer und stofflicher Kreislauf. Die Familie versucht den Hof mit möglichst wenig zugekauften Produktionsmitteln – Dünge-, Spritz- und Futtermitteln – zu bewirtschaften, um die Kreislaufwirtschaft aufrechtzuerhalten. Die Nutztiere haben so viel Auslauf wie sie benötigen. Mit dem Bild der kleinbäuerlichen Landwirtschaft wird häufig der ökologische Landbau gleichgesetzt, der schonend mit den Ressourcen umgeht, wo auf energetische und stoffliche Kreisläufe geachtet wird und Tiere artgerecht gehalten werden. Jedoch sind bäuerliche Landwirtschaft und biologischer Landbau bzw. ökologische Landwirtschaft nicht deckungsgleich. Auch im Biolandbau gibt es Großbetriebe, die für viele Menschen in das Bild der kleinbäuerlichen Landwirtschaft nicht passen.

Dem Bild einer idyllischen, bäuerlichen Landwirtschaft wird jenes einer intensivierten bzw. industrialisierten Landwirtschaft entgegengestellt. Hiermit assoziiert man meist landwirtschaftliche Großbetriebe, in denen Monokulturen und Massentierhaltung (Intensivtierhaltung) vorherrschen. Der Betrieb kann nur durch Zukauf großer Mengen von Dünge-, Spritz- und Futtermitteln wirtschaften. Auch der Einsatz der Grünen Gentechnik und moderner Züchtungsmethoden wird mit einer Intensivierung und Industrialisierung der Landwirtschaft und einer monokulturellen Agrarlandschaft gleichgesetzt. So sehr derartige Bilder den Vorstellungen vieler Menschen widersprechen, hat die Intensivierung und Technisierung der Landwirtschaft in den vergangenen hundert Jahren – bei allen Folgeproblemen – zum Wohlstand in vielen Teilen der Welt beigetragen: Durch Intensivierung und Technisierung konnte die steigende Nachfrage einer wachsenden Bevölkerung vor allem in den Industrienationen befriedigt werden, so dass beispielsweise in Deutschland ein Landwirt durch seinen Ertrag heute (2010) 132 Menschen ernähren kann, während es um 1900 rund vier Menschen waren.

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