Biopatente kontrovers – Pro und Contra

Für technische Erfindungen können Patente angemeldet werden, auch wenn diese Zellen, Pflanzen oder Tiere betreffen. Bei der Züchtung von Pflanzensorten spielen diese „Biopatente“ eine bedeutsame Rolle. Umstritten ist nicht nur der Nutzen und die Reichweite von Patenten, sondern auch die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Erfindung und Entdeckung. Im Folgenden sind zentrale Argumente der Befürworter und Kritiker aufgeführt.

Reis Klimakammer

Anreiz für Innovation. Pflanzenzüchtung ist teuer und forschungsintensiv. Foto: Reispflänzchen in einer Klimakammer.

EPA-Demo no patents on life

Kein Patent auf Leben. Demonstration vor dem Europäischen Patentamt in München.

Foto: No patents on life

Pro

Investitionsanreize für neue Technologien. Patente sind eine Möglichkeit die erfinderische Tätigkeit von Ingenieuren oder Wissenschaftlern zu schützen. Sie geben einen Anreiz, um in Forschung und Entwicklung zu investieren und so innovative technische Produkte zu entwickeln. Davon profitiert nicht nur der Urheber, sondern die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zum Verbraucher.

Unternehmen brauchen Rechtssicherheit. Das Patentrecht berührt bioethische, juristische und wirtschaftliche Belange. Um diesen gerecht zu werden, muss es nicht neugeschrieben, sondern modernisiert werden. In der EU-Biopatentrichtlinie sind tragfähige Kompromisse zu Fragen der Patentierung biotechnologischer Erfindungen gefunden worden. Für Unternehmen ist eine Rechts- und Planungssicherheit unbedingt notwendig.

Unsachliche Debatte. Patente können in vielen Ländern unter den allgemeinen Voraussetzungen für eine Patentierbarkeit (Neuheit, erfinderische Tätigkeit, gewerbliche Anwendbarkeit) auch für Erfindungen erteilt werden, deren Gegenstand Mikroorganismen, Zell-Linien, Pflanzen oder Tiere sind. Das Patent gewährt dabei keine Eigentumsrechte an biologischem Material, sondern ein Verbietungsrecht der kommerziellen Nutzung gegenüber Dritten. Ein so genanntes „Patent auf Leben“ existiert nicht.

Patentanmeldungen werden streng geprüft. Die kontroverse Diskussion bezieht sich vor allem auf Pflanzen, die patentgeschützte Merkmale tragen, aber ohne Gentechnik gezüchtet wurden (Stichwort: Smart Breeding). Allerdings stellen diese Patente nur einen sehr kleinen Anteil aller Patentanmeldungen dar und wurden vielfach vom Europäischen Patentamt (EPA) nicht genehmigt. Im gesamten Bereich der Biotechnologie wurden 2010 weniger als ein Drittel aller angemeldeten Patente vom EPA tatsächlich anerkannt. Ein Grund dafür ist die Unterscheidung zwischen Erfindung und Entdeckung: Patentierbar sind nur technische Erfindungen, d.h. neue Verfahren oder Merkmale, die durch einen technischen Schritt möglich gemacht wurden.

Höhere Transparenz durch Patente. Ohne Patentsystem würden Unternehmen ihre gewonnenen Erkenntnisse nicht offenlegen sondern „in der Schublade“ belassen, um exklusiv Nutzen daraus ziehen zu können. Patente fördern auf diesem Weg höhere Transparenz. Insbesondere nach Ablauf des Patentschutzes können Mitbewerber auf die offengelegten Informationen zugreifen und Weiterentwicklungen anstreben. Auf diese Weise wird technischer Fortschritt angestoßen, von dem die gesamte Gesellschaft profitiert.

Patente als Gütesiegel. Patente in der Biotechnologie schützen hauptsächlich Einzelerfindungen in einem zukunftsträchtigen und politisch geförderten Wirtschaftsbereich. Dazu benötigt es einheitliche Regeln: Die EU-Biopatentrichtlinie ist für alle EU-Mitgliedsstaaten bindend. Gegenwärtig werden Patente auf biotechnologische Erfindungen gleichermaßen von Züchtern, jungen Unternehmen, Universitäten sowie großen Biotechnologiefirmen angemeldet. Für ein neugegründetes Unternehmen (Start-up-Firmen) garantiert der Patentschutz einen zeitlichen Freiraum, in dem die Erfindung entwickelt und zur Marktreife gebracht werden kann. Ein Patentportfolio wirkt wie ein Gütesiegel, es erhöht den Marktwert der Firma und ist ein wichtiges Argument, um neues Kapital für hohe Forschungsaufwendungen und teure Zulassungskosten einzuwerben.

Free Access – but not Access for Free. Patente schaffen nicht nur exklusive Nutzungsrechte, sondern unterstützen auch den Informationsaustausch unter Züchtern. Die Möglichkeit des Zugangs zu Saatgut für die Züchtung ist im Interesse aller Züchtungsunternehmen. Daher werden Maßnahmen von der Industrie und Unternehmensverbänden angestoßen, um wirtschaftliche Belastungen und hohen Bürokratieaufwand bezüglich des Zugangs und Austauschs von geschütztem Saatgut zu verringern. Nach dem Motto „Free Access – but not access for free“ soll eine international Lizenz-Plattform für Patente geschaffen werden und ein europaweites Züchterprivileg, das kostenlosen Zugang zu Saatgut für Züchtungsprojekte garantiert.

Contra

Patentsystem wird biologischen Besonderheiten nicht gerecht. Der Ausspruch „Kein Patent auf Leben“ drückt aus, dass es sich bei „biologischen Materialien“ wie Genen, Zellen und Organismen nicht um Erfindungen des Menschen handelt. Daher kann über diese nicht nach dem Patentrecht verfügt werden. Es dürfen keine exklusiven Eigentumsrechte auf etwas erteilt werden, das in Lebewesen auf natürliche Weise entstanden ist.

Züchtungen greifen immer auf Züchtungen zurück. Pflanzen, die auf konventionelle Weise gezüchtet wurden, dürfen nicht patentiert werden. Zwar schließt das Patentrecht Züchtungen nach „im Wesentlichen biologischen Verfahren“ von der Patentierbarkeit aus, dennoch wird immer wieder versucht, Patente auf Saatgut zu erhalten, das neben einem technischem Schritt auch durch Kreuzung und Selektion gezüchtet wurde. Darüber hinaus wird dem bisherigen Züchtungssystem die Grundlage entzogen, da neue Züchtungen immer auf bereits vorhandene Pflanzensorten zurückgreifen und der Patentschutz schrittweise genetische Ressourcen aus dem Gesamtpool entnimmt. Aus diesen Gründen sehen klassische Züchtungsunternehmen die Gefahr, dass die Kontrolle über Pflanzenzüchtung vollständig in den Bereich der Biotechnologie gelegt wird, da über eine schrittweise Ausdehnung des Patentrechts nicht nur neue technologische Verfahren und gentechnische Produkte geschützt sind, sondern auch die vormals klassische Züchtung betroffen ist.

Patente fördern Monopolbildungen. Aktuell haben die zehn größten Saatgutkonzerne 75 Prozent Marktanteil beim Verkauf von Saatgut. Biopatente stellen einen weiteren Kostenfaktor dar und unterstützen Marktkonzentrationsprozesse. Unternehmen benötigen ein gewisses Grundkapital, um die notwenigen Investitionen zu tätigen und im Wettbewerb bestehen zu können. Kleinere Züchtungsunternehmen haben dadurch erschwerte Marktbedingungen, die durch Patentierungen zusätzlich verschärft werden. Auf diesem Wege fördern Patente Monopole. Darüber hinaus sind in monopolistischen Marktstrukturen steigende Saatgutpreise wahrscheinlich, die an Endverbraucher weiter gegeben werden und Lebensmittel teurer machen. Davon profitieren die Patent- bzw. Lizenzinhaber, nicht aber die Konsumenten.

Unverhältnismäßige Reichweite der Patentansprüche. Die aktuelle Rechtslage des Patentschutzes auf Pflanzenzüchtungen ist nicht eindeutig und erzeugt Planungsunsicherheit. Durch die hohe Zahl an Patentanmeldungen zieht sich die Prüfungsdauer über Jahre hinweg und abstrakte Formulierungen von Schutzansprüchen machen die Reichweite des Patentschutzes nicht abschätzbar bzw. werden häufig zu breit vergeben. Vielfach wird den Einsprüchen gegen bestehende Patente erst nach langen Verhandlungen stattgegeben.

Hohe Kosten für juristische Beratung. Im Umgang mit Patenten sind juristische Fachkenntnisse in jedem Fall notwendig. Die Patentierungspraxis hat zur Folge, dass viel Geld anstatt in Forschung und Entwicklung in Anwaltskanzleien und Rechtsstreitigkeiten investiert wird. Selbst wenn ein Unternehmen keine eigene Patentanmeldung plant, entstehen zusätzliche Kosten allein bei der Recherche, ob durch eine Züchtung andere Ansprüche verletzt werden.

Patente als Innovationsblockade. Patente auf Züchtungsverfahren oder genetisches Material, die exklusiv nur an ein Unternehmen lizenziert sind, können zu Innovationsblockaden und Behinderungen der weiteren Züchtungsentwicklung führen. Andere Züchter müssen in diesem Fall auf alternative Verfahren oder weniger gut geeignetes Material zurückgreifen.

Verlust von Agrobiodiversität. Da viele kleinere Züchtungsunternehmen vom Markt verdrängt werden, leidet die züchterische Vielfalt. Kulturarten wie Hafer, Dinkel oder Ackerbohne werden von den größten Saatgutunternehmen kaum bearbeitet. Auf diese Weise verschwinden viele Arten und alte Sorten aus dem Anbau, da keine Weiterzüchtung und Anpassung an landwirtschaftliche Standards stattfindet. Es kommt zu einem Verlust von Agrobiodiversität, welche die Grundlage für zukünftige Züchtungen und Ernährungssicherheit darstellt. - Aus diesen Gründen müssen sowohl die Schutzansprüche des Patentrechts eingeschränkt werden als auch Alternativen zum bestehenden Patentsystem gefördert werden, um die Arbeit mit Saatgut besser zu regulieren und Züchtungsfortschritte zu belohnen.

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