Podiumsdiskussion an der LMU München –
Braucht Deutschland Grüne Gentechnik?

„Braucht Deutschland Grüne Gentechnik?“ Unter diesem Titel luden Studierende der Biologie der LMU München zu einer Podiumsdiskussion am 17. Juli 2013 ein. Es diskutierten Christoph Fischer von der Arbeitsgemeinschaft Zivilcourage, Peter Hefner als Pressesprecher von Syngenta Agro GmbH, Gerd Spelsberg von i-bio information und Christoph Then von testbiotech (ehemals von Greenpeace). Moderiert wurde die Veranstaltung von Thomas Ott (LMU München).

Diskussion Biozentrum

Gleich zu Beginn machten die Teilnehmenden ihre unterschiedliche Perspektive auf die Gentechnikdebatte deutlich: Gerd Spelsberg betonte, dass die Diskussion in Deutschland an einem Punkt angelangt sei, an dem aufgrund der mangelnden Akzeptanz in der Bevölkerung keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut werden könnten. Dabei wächst die Kluft zwischen einigen europäischen Ländern, in denen Gentechnik abgelehnt wird, und nordamerikanischen sowie vielen Schwellenländern, in denen gentechnisch veränderte Pflanzen immer größeren Raum einnehmen. Angesichts der weltweiten Herausforderungen in der Landwirtschaft sollte man, so Spelsberg, kein technologisches Verfahren von vornherein kategorisch ausschließen.

Wissenschaftliche Kontroverse über ökologische Risiken

Dr. Christoph Then betonte, dass es von Seiten der Wissenschaft wenig Bereitschaft gibt, das Thema „Grüne Gentechnik“ unvoreingenommen zu diskutieren. Als Beispiel brachte er die Risikoforschung, bei der seiner Einschätzung nach viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Nähe zur Industrie aufweisen. Bei der Anwendung der „Grünen Gentechnik“ ist danach zu fragen, ob die ursprünglichen Erwartungen mit Blick auf Umwelt und Konsument überhaupt eingelöst werden konnten. Im Rückblick auf den 20-jährigen kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen, so Then, ist das zu verneinen.

Peter Hefner stellte klar, dass das Akzeptanzproblem der Gentechnik seiner Einschätzung nach weniger in der Wissenschaft oder der Technik selbst liegt, sondern in der Kommunikation. Die relevanten Akteure hätten bei der Einführung die Sensibilität dieses Themas nicht zuletzt unterschätzt. Er betonte, dass die Landwirtschaft in Deutschland gegenwärtig zwar nicht notwendigerweise Gentechnik braucht; es ist aber fraglich, so Hefner, wie lange sich ein Land wie Deutschland eine Abstinenz von der Gentechnik leisten kann.

Christoph Fischer setzte seinen Fokus weniger auf den Streit um potentielle Risiken als auf Fragen der praktischen Anwendung von gentechnisch verändertem Saatgut. Als großes Problem diagnostizierte er dabei die Frage der Koexistenz: So sei es problematisch, dass beispielsweise im Bereich des Biolandbaus von Seiten der Landwirte nachgewiesen werden müsse, dass die Anbauprodukte gentechnikfrei seien. Die Kosten für diese Prüfungen werden indirekt von allen Konsumentinnen und Konsumenten gezahlt.

Unterschiedliche Naturbilder in der Debatte

Im Verlauf der Debatte entzündete sich immer wieder eine Kontroverse an der Frage, inwieweit in der Risikobewertung sinnvoll zwischen gentechnisch vermittelter Züchtung und klassischer Züchtung unterschiedenen werden muss. Dr. Christoph Then und Christoph Fischer diagnostizierten dabei einen grundsätzlichen Unterschied, da es sich bei der Gentechnik durch die Ausschaltung selektiver Kräfte um ein unnatürliches Verfahren handele, während die klassische Züchtung auf dem „Weg der Evolution“ bleibe und daher auf ein natürliches Repertoire zurückgreife. Gerd Spelsberg und Peter Hefner stellten diese Grundsatzunterscheidung in Zweifel: Viele Pflanzen mit ähnlichen Risiken, wie man sie gentechnisch veränderten Pflanzen zuschreibt, könnten auch über klassische Verfahren gezüchtet werden und müssten insofern analog beurteilt werden. Spelsberg wünschte sich anstatt der Pauschalablehnungen eine differenziertere Debatte: So sei beispielsweise hinsichtlich der Umweltwirkungen zwischen insektenresistenten und herbizidtoleranten Pflanzen zu unterscheiden. Nicht-Zieleffekte durch Unkrautvernichtungsmittel seien in der Landwirtschaft tatsächlich ein Problem, betonte Spelsberg, die Ursache hierfür läge jedoch in einem falschen Management und nicht in der Gentechnik.

Die Fragen aus dem Publikum zeigten, inwieweit normative Naturverständnisse als Hintergrundfolie der Kontroverse in den Blick genommen werden müssen. So wurde darüber diskutiert, inwieweit Natur als „Vorbild“ dienen kann und sie als „moralische Instanz“ zu gelten hat. „Natürlichkeitsargumente“ wurden vorgebracht, ein „ganzheitliches Denken“ der Wissenschaft wie der Landwirtschaft eingefordert. Gerade die Fragerunde des Publikums machte damit deutlich, dass sich die Gentechnikkontroverse nicht in einem Risikodiskurs auf Basis naturwissenschaftlicher Daten erschöpft. Umso notwendiger und adäquater erscheint der Impetus der Veranstaltung: Dass sich gerade auch Studierende der Biologie und angehende Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler einen Überblick über die Vielfalt der in der Kontroverse mitverhandelten Fragen verschaffen.

Diskussion / Kommentare

Kommentare werden geladen…

Drucken Versenden